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Kivalina

Entwicklung eines Community Centers für Klimaflüchtlinge in Alaska

Beginn der Konzeption 2012,
Besuche vor Ort 2013 und 2014
Planungsprozess bis 2015
Umsetzung 2017

Ausgangssituation

Kivalina, eine Gemeinde mit 374 EinwohnerInnen aus der Volksgruppe der Inupiat, liegt in Alaska nördlich des Polarkreises auf einer Schotterbank an einer Flussmündung. Die sehr junge Bevölkerung (50% unter 20 Jahren) leidet unter einer hohen Arbeitslosigkeit, einer schlechten Infrastruktur, es fehlen Qualitäten im öffentlichen Raum und flexibel nutzbare Gebäude mit Gästeunterkünften. Akuter Platzmangel, der durch den Klimawandel steigende Meeresspiegel, das Auftauen der Permafrostböden und die stärker werdenden Stürme bedrohen die Existenz der Gemeinde an ihrer exponierten Lage. Eine Umsiedelung (Relocation) der Gemeinde scheint langfristig die einzige Möglichkeit zu sein. Als Top-Down Prozess seit Jahrzehnten von staatlicher Seite betrieben aber von finanziellen und organisatorischen Herausforderungen behindert, stoßt dieser Prozess ohne Einbindung der EinwohnerInnen auf deren Skepsis und verstärkt die Gräben in der Gemeinschaft.

Planungsprozess 2012-15

2012 initiiert das Kuratorenteam des Re-Locate Projektes aus Alaska mit der Künstlergruppe Wochenklausur aus Wien ein Projekt in Kivalina. Ziel war es, den die ganze Gemeinde lähmenden Prozess zur anstehenden Relocation und den Diskurs zur ungewissen Zukunft der Gemeinde wieder in Gang zu bringen. AOGA wurde in der Folge eingeladen, als einer von mehreren „Agents of Change“ ein aktiver Teil des Projektes zu werden. Unter dem Motto „Architektur als humanitäre Verantwortung“ widmete sich AOGA somit der besonderen kulturellen und sozialen Situation in Kivalina.

In mehreren Workshops entstand die Idee, mit einem „neuen neutralen Gebäude“ einen Raum zu schaffen, an dem die verschiedenen Stakeholder des Relocationprozesses auf „unbelastetem Boden“ wieder in Kontakt miteinander und mit den involvierten offiziellen Institutionen treten können, um so die Umsiedlung als partizipatives Projekt betreiben zu können. Das Gebäude sollte neben dem praktisch notwendigen Nutzen auch hinsichtlich Bauphysik, partizipativem Planungsprozess und architektonischer Gestaltung ein Modell für neues Bauen in der Arktis sein, und so als Symbol für Aufbruch und Diskurs nach Innen und Außen dienen.

Im Sommer 2013 und 2014 war ein Projektteam von AoGA für mehrere Wochen vor Ort, um gemeinsam mit den anderen in Kivalina engagierten „Agents of Change“ den Ort und seine BewohnerInnen kennenzulernen, bestehende Gebäude zu evaluieren und einen partizipativen Planungsprozess zu starten. Es wurde durch einfache Mittel wie aufgespannte Leintücher, Seile und Stangen und unter Einbindung des leerstehenden „Search and Rescue Buildings“ ein neues Gebäude simuliert und die EinwohnerInnen zum Mitentwerfen angeregt. Daraus wurde ein Gebäudedesign erarbeitet, welches mit ExpertInnen, FunktionärInnen und BewohnerInnen vor Ort evaluiert und weiterentwickelt wurde.

Das Projekt wurde unter breiter Einbindung und in engem Diskurs mit zahlreichen Forschungseinrichtungen, NGOs und ExpertInnen in Österreich und international bearbeitet und weiterentwickelt. Über die Organisationen Re-Locate und Three Degrees Warmer war das Projekt in den Diskurs zum Thema Klimawandel als Ursache für globale Fluchtbewegungen eingebunden.

Umsetzung 2017

Dank einer Unterstützung durch den Art Place America´s Creative Placemaking Grant konnte der Projektpartner Relocate-Kivalina mit Architekt Micheal Gerace und Jen Marlowe 2017 das bereits bestehende Communitycenter umbauen und in diesem Gebäude die zusätzlichen funktionalen und räumlichen Bedürfnisse für ein Relocation-Center integrieren.

Die wichtigsten baulichen Maßnahmen waren die Errichtung eines Windfangs (Arctic Entrance), von Gästezimmern, einer Lichtkuppel, einer neuen Küche sowie ein Archiv für die Dokumentation des Relocation-Prozesses. Im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes wurde dieses Projekt auch als ein Testfall für ein innovatives Sanitärsystem verwendet.

Fazit aus heutiger Sicht

Als 2015 US-Präsident Barack Obama in die Region nach Kotzebue reiste um von einem der abgelegensten Teile der USA in Alaska aus über die Problematik der indigenen Völker im Kontext des Klimawandels zu sprechen, war ein großer symbolischer Schritt erreicht. Nach jahrelanger Anstrengung war es den Inupiat in Kivalina mit Unterstützung zahlreicher NGOs gelungen, sich Gehör zu verschaffen.

Das rein ehrenamtlich betriebene Projekt Kivalina von AOGA kann als kleiner Baustein im großen Kontext der Bearbeitung von Folgen des Klimawandels gesehen werden. Es kann dabei hilfreich sein, schwer vermittelbare Themen wie Klimawandel und Klimaflüchtlinge im öffentlichen Diskurs besser zu verankern.

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